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von Sabine am Orde
Der Entwurf für das neue Kitagesetz spricht viel vom Bildungsauftrag der Kindertagesstätten. Diese Bildung sollen viele Kinder aber nur genießen, wenn ihre Eltern tatsächlich keine Zeit haben
Gut fängt er an, der Entwurf für das neue Kitagesetz. Von gleichen Bildungschancen für alle Kinder ist da die Rede, von Persönlichkeitsentwicklung und sprachlicher Kompetenz. Von Problemlösen, Kreativität und gesellschaftlicher Teilhabe. Kurz: Der Bildungsauftrag der Kindertagesstätten wird hier formuliert. Und damit klar gesagt: Jetzt ist wirklich Schluss mit der Kita als reine Betreuungseinrichtung. Das begrüßen auch die freien Träger. Doch sie befürchten, dass es im Kita-Alltag statt zu einer Verbesserung zu einer "schleichenden Standardverschlechterung" kommt, wie Roland Kern vom Dachverband der Berliner Kinder- und Schülerläden (Daks) es nennt. "In dem Entwurf werden hohe Ansprüche formuliert, gleichzeitig aber Ressourcen aus den Kitas abgezogen", sagt Kern. Bei den großen Wohlfahrtsverbänden ist eine ähnliche Kritik zu hören. Öffentlich formulieren wollen sie diese aber noch nicht. "Derzeit prüfen wir den Gesetzentwurf noch", heißt es offiziell. Die Kritik richtet sich gegen "viele kleine Formulierungen, die die Spielräume der Kitas weiter einschränken". Wichtigster Punkt: die Kriterien, nach denen der Bedarf berechnet wird. Denn der gesetzliche Anspruch auf einen Kitaplatz gilt nur für Drei- bis Sechsjährige und nur für einen Halbtagsplatz. Für andere Kinder und für einen längeren Betreuungszeitraum müssen die Eltern ihren Bedarf nachweisen. Problematisch, sagt Daks-Sprecher Kern, wird es künftig für solche Eltern, die keine Vollzeitstellen mit fest umrissenen Arbeitszeiten haben. Bislang orientiert sich deren Bedarf an dem Wochentag mit den längsten Arbeitszeiten. Arbeiten beide Eltern mittwochs also bis 18 Uhr, kann das Kind an allen Wochentagen ganztags in die Kita gehen. Das soll künftig nicht mehr der Fall sein. "Nach dem Gesetzentwurf soll der Durchschnitt errechnet werden." Das führe dazu, dass sich für viele Kinder die Betreuungszeiten verkürzen werden. Zudem soll der Bedarf jährlich überprüft werden. Die Folgen: Die Eltern könnten an einigen Tagen Probleme bekommen, ihre Kinder während der Arbeitszeit unterzubringen. Die Kitas bekommen weniger Personal und weniger Sachmittel. Und die Kinder verbringen schlicht weniger Zeit in der Kita. Das aber, da sind sich die freien Träger einig, widerspricht dem Bildungsauftrag der Kitas. "Da wird die Kita doch wieder nur als Betreuungseinrichtung für erwerbstätige Eltern gedacht", sagt Kern. Genau davon aber müsse man endlich wegkommen.
Taz, 24.2.05
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