von Susanne Vieth-Entus
Das neue Kitareformgesetz stößt auf harsche Kritik von Eltern und freien Trägern, aber auch auf Skepsis in den Koalitionsfraktionen. Befürchtet wird, dass künftig Kinder aus den Kindertagesstätten und Horten gedrängt werden.
Das Gesetz, das zum 1. August in Kraft treten soll, enthält mehrere Verschärfungen. So gibt es einen Anspruch auf einen Kindergartenplatz erst für Dreijährige und nicht mehr für Zweijährige, wie es bisher in Berlin üblich war. Zudem sollen Eltern ihren Kita-Bedarf künftig jährlich nachweisen: Falls sie arbeitslos werden, müssen sie damit rechnen, dass ihre Kinder nur noch einen Halbtagsplatz bekommen. Vergleichbares gilt für arbeitslose Eltern mit Kindern im Hortalter (sechs bis zehn Jahre): Laut eines Rundschreibens der Senatsverwaltung für Bildung haben Kinder von Arbeitslosen keinen Anspruch auf Hortbetreuung: Sie müssen um 13.30 Uhr die Grundschule verlassen und kommen nicht in den Genuss der Nachmittagsförderung.
Bei einer Anhörung im Jugend- und Schulausschuss warnten gestern Vertreter von freien Kita-Betreibern, des Landeselternausschusses und der GEW übereinstimmend vor den Folgen der Änderungen: Ausgerechnet jene Kinder, die man mit dem Gesetz und seinem neuen Bildungsauftrag besonders fördern wollte, da sie aus schwierigen Elternhäusern kämen oder kaum Deutsch könnten, müssten jetzt zu Hause bleiben. Die Opposition schloss sich der Kritik an. Von Seiten der SPD und der PDS wurde Nachbesserungsbedarf eingestanden.
Einzig die Volksbildungsstadträtin von Kreuzberg-Friedrichshain, Sigrid Klebba (SPD), versuchte, die Besorgnisse zu zerstreuen: Sie verwies darauf, dass das Gesetz auch familiäre und soziale Gründe für einen Anspruch auf Kita-Betreuung nenne. Es gehe jetzt darum, die Eltern darauf hinzuweisen. Wenn die Jugendämter entsprechende Kita-Bescheide verweigerten, könnten die Eltern Widerspruch einlegen. Fachleute befürchten aber, dass gerade bedürftige Familien diese Rechte gar nicht kennen.
Tagesspiegel, 31.5.05
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