Die Proteste gegen das neue Berliner Kitagesetz waren teilweise erfolgreich. Roland Kern vom Dachverband der Berliner Kinder- und Schülerläden zieht ein Resümee.
Soll keiner sagen, dass sich nichts täte im Bereich der frühkindlichen Bildung in der Hauptstadt. Der Berliner Bildungssenator Klaus Böger (SPD) versucht sich seit einiger Zeit an diversen Reformen bei Kitas und Grundschulen. Für die Kitas gibt es das neue Bildungsprogramm. Hortbetreuung findet ab 2005 in Verantwortung der Schulen (und zumeist in den Schulgebäuden) statt. Die städtischen Kitas sollen zur Hälfte an freie Träger übertragen und die verbleibenden in kommunale Eigenbetriebe überführt werden. Für die Kitafinanzierung soll ein IT-System eingeführt werden, eingedenk des Hamburger Vorlaufs nicht mehr Kita-Card sondern Kita-Gutschein genannt. Wie üblich vermengen sich bei diesen ineinandergreifenden Prozessen pädagogische Ziele mit finanzpolitischen Anliegen – zumal in einer hoch verschuldeten Kommune wie Berlin. Das zeigte sich auch im Entwurf zu dem Gesetz, das diese sich teilweise schon in der Umsetzung befindlichen Veränderungen juristisch legitimieren soll und das den schönen Namen Kindertagesbetreuungsreformgesetz erhielt. Während im ersten Paragraphen ausführlich und weithin konsensfähig vom Bildungsauftrag der Kita die Rede war, wurde im folgenden Text der Sparhammer geschwungen. Der Senatsentwurf sah vor, den Kitazugang an diversen Stellen zu beschränken, v.a. für Kinder unter 3 Jahren und für Kinder arbeitsloser oder mit unregelmäßigen Arbeitszeiten ausgestatteter Eltern. Den Trägern von Kitas sollten neue Pflichten auferlegt werden. Der im Februar 2005 erstmals vorgelegte Gesetzentwurf geriet in der Fachöffentlichkeit schnell unter Kritik. Elternverbände, freie Träger, Gewerkschaften lehnten die Restriktionen unisono ab. Trotzdem schien jenseits kleinerer Veränderungen das neue Gesetz nicht mehr aufzuhalten zu sein. Zumal ein enormer Zeitdruck aufgebaut wurde und sich die Presse in der ersten Berichterstattung v.a. den für viele Eltern günstigeren Hortgebühren widmete. Das politische Kalkül der Regierenden schien aufzugehen. Im Mai drehte sich jedoch der politische Wind. Auch in der Presse war jetzt vom Widerspruch zwischen dem Anspruch einer höheren Bildungsqualität und den infolge des Gesetzes drohenden Personalkürzungen die Rede. Besonders in der Berichterstattung über die Anhörung im zuständigen Fachausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses wurden die Argumente der Kritiker ausführlich wiedergegeben. Parallel dazu hatten der Dachverband Berliner Kinder- und Schülerläden (DaKS), die GEW und der Landeselternausschuss Kita (LEAK) eine gemeinsame Postkartenaktion gestartet, mit dem Ziel, möglichst viele Eltern für die Auswirkungen des Gesetzes zu sensibilisieren. Die Anregung dazu kam aus einem Kreis von Eltern und Erzieher/innen aus Kinder- und Schülerläden, die Aktion wurde auch von den Wohlfahrtsverbänden unterstützt. Die Postkarten, auf der einen Seite mit Zitaten aus dem Berliner Bildungsprogramm und dem 10. Kinder- und Jugendhilfebericht der Bundesregierung und auf der Rückseite mit der Forderung nach einem gleichberechtigten Kitazugang für alle Kinder und nach ausreichenden Ressourcen für gute Bildungsqualität versehen, wurden an alle Berliner Kitas verteilt und sollten von Eltern und Erzieherinnen an die Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus geschickt werden. Der DaKS richtete zudem unter www.kitareformgesetz.de eine Website ein, die über das Gesetz und die dazugehörigen Diskussionen informiert. Die Proteste gegen das Gesetz waren zumindest teilweise erfolgreich. Die Regierungsparteien SPD und PDS legten innerhalb einer Woche nach der Anhörung einen Änderungsantrag vor, der dann beschlossen wurde. So können 2-jährige Kinder weiterhin nach den Sommerferien in die Kita aufgenommen werden, Arbeitssuche ist als Bedarfsgrundlage gesetzlich festgeschrieben, die beabsichtigte jährliche Bedarfsüberprüfung ist aus dem Gesetz entfernt worden. Die beabsichtigte Festschreibung des Halbtagsplatzes als Regelfall des Kitabesuchs ist gestrichen worden und auch der reduzierte Elternbeitrag für Vorschulkinder bleibt nun doch erhalten. Der Personalschlüssel für Horterzieher/innen ist jetzt auch im Schulbereich gesetzlich festgeschrieben worden. Für Eltern mit unregelmäßigen Arbeitszeiten wurde eine Regelung gefunden, die schlechter als die bisherige ist, aber zumindest die Gefahr bannt, dass die betroffenen Kinder tageweise ganz vom Kitabesuch ausgeschlossen sind. An anderen Stellen hat es keine Verbesserungen gegeben. Generell bleibt es dabei, dass der Zugang zur Bildungsinstitution Kita nicht über die Bedürfnisse der Kinder geregelt wird, sondern über die Kapazität der Eltern, ihr Kind zu beaufsichtigen. Das Gesetz besiegelt den Abschied von den meisten der Schülerläden, die speziell in West-Berlin wichtiger Bestandteil der Hortversorgung waren. Für die gesteigerten Qualitätserwartungen gibt es keine Entsprechung im Personalbereich. Eine große Unbekannte ist die Rechtsverordnung, in der die Umsetzung des Gesetzes präzisiert werden soll. Die vermehrten Auflagen für die Träger bringen v.a. die kleinen Elterninitiativen in Schwierigkeiten. Nichtsdestotrotz hat sich der Protest gegen die Neuregelungen gelohnt und hat einige nicht mehr für möglich gehaltene Veränderungen erreicht. Wobei sich der herannahende Bundestagswahlkampf sicher förderlich auf die Diskussion innerhalb der Berliner Regierungsparteien auswirkte.
Betrifft Kinder, Heft 08-09/05, www.betrifftkinder.de
|